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Beschäftigungsorientiert beraten und vermitteln - Standards für die Arbeitsförderung (SGB III) und Grundsicherung (SGB II)
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Beschäftigungsorientiert beraten und vermitteln - Standards für die Arbeitsförderung (SGB III) und Grundsicherung (SGB II)
von: Rainer Göckler, Matthias Rübner, Karl-Heinz P. Kohn, Ursula Jäger, Michael Franck
Walhalla und Praetoria Verlag GmbH & Co. KG, 2014
ISBN: 9783802908132
376 Seiten, Download: 2064 KB
 
Format: EPUB, PDF
geeignet für: geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones Online-Lesen PC, MAC, Laptop

Typ: A (einfacher Zugriff)

 

 
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Leseprobe

1.1 Arbeitsmarktbezogene Grundzusammenhänge


– R. Göckler, M. Franck –

In den meisten Lehrbüchern zur allgemeinen Volkswirtschaftslehre spielt das Thema Arbeitsmarkt eine eher marginale Rolle (siehe stellvertretend für viele: Baßeler u. a. 2010 oder Altmann 2009). Die Funktionsweisen von Arbeitsmärkten werden in kürzeren Kapiteln und zumeist „weiter hinten“ abgehandelt. Diesseits spezieller VWL-Literatur zu Fragen der „Labour Economics“ (z. B. Borjas 2012, Franz 2009) erhält bestenfalls das Phänomen der Arbeitslosigkeit ein größeres Augenmerk, oft in Verbindung mit Themenkomplexen zur Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik. Diese Beobachtung sollte uns nicht überraschen, denn für die das Fachgebiet ideologisch dominierenden Ökonomen neoklassischer Provenienz gibt es zunächst einmal keine Besonderheiten der Ware Arbeitskraft und deren Markt im Vergleich zu anderen Waren. Der Arbeitsmarkt ist in ihren Augen ein Markt wie jeder andere. Für den Faktor Arbeit gelten deshalb im Wesentlichen die gleichen Gesetzmäßigkeiten wie für alle übrigen Waren und Dienstleistungen. „Insoweit ist die neoklassische Arbeitsmarkttheorie lediglich ein Spezialfall der allgemeinen Gleichgewichtstheorie, aus der sie abgeleitet wird. Die Betrachtung des Arbeitsmarktes ist also vom Standardmodell des Gütertauschs geprägt. Der Lohn wird als Preis des Produktionsfaktors Arbeit interpretiert und wie alle anderen Preise durch Angebot und Nachfrage bestimmt“ (Sesselmeier u. a. 2010, S. 76).

Für Fachkräfte in der Beschäftigungsförderung stellt sich aber schnell die Frage: Ist diese Sichtweise korrekt? Existieren nicht Spezifika, welche den Arbeitsmarkt von anderen Märkten so gravierend unterscheiden, dass wir weder Löhne mit Preisen noch Arbeitskräfte mit materiellen Gütern wie Waschmittel oder Kaugummis gleichsetzen können? Erleben Sie nicht oft genug, mit welchen Schwierigkeiten von Arbeitslosigkeit betroffene Menschen hinsichtlich einer Beschäftigungssuche und -aufnahme zu kämpfen haben? In dieser Richtung sollen vier Aspekte zum Nachdenken anregen:

Erstens: Das Geld, welches in Form von Löhnen und Gehältern aus Erwerbstätigkeit fließt, stellt für den überwiegenden Teil der Bevölkerung immer noch die wichtigste Einkommensquelle dar. An der Notwendigkeit, die eigene Arbeitskraft zu Markte zu tragen, hat sich für die meisten Personen in den letzten 100 Jahren kaum etwas verändert – trotz des enormen Wirtschaftswachstums. Noch immer gilt, dass unsere persönliche Wohlfahrt mehr oder minder von unseren Beschäftigungschancen bestimmt wird. Durchschnittlich entspringen über 60 Prozent des gesamten verfügbaren Einkommens privater Haushalte dem Entgelt aus Arbeitsleistungen (vgl. Krebs/Behrends 2002). Demzufolge haben Faktoren, welche auf die Löhne in ihrer Struktur, Höhe und Entwicklung wirken, einen gravierenden Einfluss auf die jeweiligen Einkommensverhältnisse. Arbeitslosigkeit, welcher Art auch immer, die durch offenkundiges Arbeitsmarktversagen hervorgerufen wird, ebenso wie Niedriglöhne, die durch ein systemisches Machtgefälle zwischen Anbietern und Nachfragern von Beschäftigung induziert werden, sollten wir daher mit größter Sorge betrachten.

Ein zweiter Grund, der unsere Aufmerksamkeit im Hinblick auf die Besonderheiten des Arbeitsmarktes lenken sollte, bezieht sich auf die Seite der Arbeitgeber. Diese können sich nicht darauf verlassen, dass mit der Auszahlung von Löhnen und Gehältern automatisch auch garantiert ist, dass ihre Arbeitskräfte tatsächlich einen guten Job erledigen. Zum Vergleich: Qualitativ weniger gute Äpfel, die auf einem Wochenmarkt gekauft werden, lassen sich oft äußerlich relativ leicht identifizieren und ggf. austauschen. Im Gegensatz dazu kann man konkrete Teilarbeitsmärkte nicht analysieren, ohne neben den berufsfachlichen die nicht mehr so einfach zu erkennenden sozialen und persönlichen Eigenschaften von Bewerbern zu berücksichtigen. Das Arbeitsvermögen mit all seinen Facetten ist nämlich untrennbar mit der Arbeitskraft verbunden. Zudem stehen Unternehmen und Beschäftigte immer in einer kooperativen Beziehung zueinander. Deren Basis, der Arbeitsvertrag, wird in der Regel explizite Unbestimmtheiten enthalten, da die Leistungen des Arbeitnehmers in einem Normalarbeitsverhältnis nur allgemein eingegrenzt werden können. Nicht-vertragliche Verhaltensgewohnheiten und soziale Normen sind dennoch impliziert, weil sie für ein funktionierendes Arbeitsverhältnis unerlässlich sind.

Ein dritter Grund, worin sich Arbeitsmärkte von anderen Märkten deutlich unterscheiden, liegt in der überwiegend beschränkten geografischen Mobilität der Arbeitsuchenden. Wir sind es mittlerweile gewohnt, bei Finanz- und Gütermärkten in globalen Dimensionen zu denken. Firmen jedoch rekrutieren die Mehrzahl ihrer Mitarbeiter gerne vor Ort. Von oberen Führungskräften und berufsfachlichen Spezialisten einmal abgesehen, suchen Unternehmen aus guten Gründen ihre Mitarbeiter zumeist auf den lokalen und regionalen Märkten im Umfeld ihres Firmensitzes. Während die internationale Fachkräftegewinnung eher selten ist, geschieht die überregionale Suche vor allem auf den hoch qualifizierten Teilarbeitsmärkten. 1 Nicht zuletzt tendiert auch die Seite der Bewerber dazu, großräumige Mobilität eher zu vermeiden.

Letztendlich, als vierter Grund, zeigt sich, dass auch die berufsbezogene Mobilität beider Seiten auf dem Arbeitsmarkt beschränkt bleibt. Unternehmen suchen Arbeitskräfte bezogen auf spezifische Anforderungsprofile, die von vielen Einflüssen determiniert werden (technische Entwicklung, Arbeitskräfteangebot, Produktionsprozess etc.). Andererseits bieten Arbeitskräfte spezifische Qualifikationen an, die teilweise von ganz anderen Einflussgrößen bestimmt werden (Schulwahl, Schulausbildung, Berufseinstieg, Interessen, Begabungen und Fähigkeiten). In der Mehrzahl finden zwar die Suchprozesse über einen mehr oder minder großen Zeitraum zueinander, jedoch nicht in jedem Fall. Diese strukturellen Diskrepanzen und Unübersichtlichkeiten werden uns noch beschäftigen.

Es sollte klar geworden sein, dass der Arbeitsmarkt eben kein Markt wie jeder andere ist. Wir werden uns in den nachfolgenden Ausführungen auf drei zentrale Fragestellungen beschränken, wissend, dass die Komplexität arbeitsmarktlichen Geschehens immer weiter reicht, als es hier skizziert wird:

1.  

Wie viele Menschen bieten ihre Arbeitsleistung wann und warum an? Wie viele Unternehmen fragen wann und warum nach Arbeitskräften? Welche Bestimmungsfaktoren von Angebot und Nachfrage lassen sich hierfür identifizieren?

2.  

Welche Arbeitsmarktungleichgewichte gibt es bzw. welche Arten von Arbeitslosigkeit lassen sich voneinander abgrenzen? Den oftmals unübersichtlichen, teilweise widersprüchlichen Definitionen in zahlreichen Lehrbüchern wollen wir ein klar gegliedertes Grundschema gegenüberstellen, aus dem sich die meisten übrigen Ausprägungen leicht ableiten lassen.

3.  

Wie erklären Sozialwissenschaftler und Ökonomen das Entstehen von Arbeitslosigkeit und Dumpinglöhnen?

Zu diesem Zweck soll zunächst die Logik des deskriptiv angelegten „Konten-Modells“ aus dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung vorgestellt werden, in dem nacheinander die Arbeitskräfte-Nachfrageseite, die entsprechende Angebotsseite und die Arbeitsmarktbilanz betrachtet werden. Anschließend folgt eine kurze Übersicht über die gängigen Arbeitslosigkeitsarten und deren Verursachungszusammenhänge, bevor wir uns am Ende einigen theoretischen Erklärungsmustern im Hinblick auf die Funktionsweise von Arbeitsmärkten widmen.

Auf eine Einbettung der Grundzusammenhänge in das gesellschaftliche Gesamtgefüge der sozialen Marktwirtschaft wird an dieser Stelle verzichtet. Auch eine weitergehende Einführung in volks- und betriebswirtschaftliche Zusammenhänge ist hier nicht vorgesehen. Es sei nur so viel angemerkt, dass sich soziale Marktwirtschaft in diesem Verständnis auszeichnet durch die Sicherstellung marktwirtschaftlicher Prinzipien und das Bemühen um einen sozialen Ausgleich, zu dem die Sozialversicherungen wie auch Arbeits- und Verbraucherschutz oder ökologische Maßnahmen gehören. Soziale Marktwirtschaft setzt in diesem Verständnis einen aktiven Staat voraus.

Zur besseren Verständlichkeit der verschiedenen Themenkomplexe werden wir mit Schaubildern arbeiten, die das Verständnis erleichtern sollen. Ein Grundverständnis arbeitsmarkttheoretischer Zusammenhänge kann man dabei auch ohne weitreichendere Kenntnisse der höheren Mathematik gewinnen.

Wie auf Gütermärkten wird auch das Geschehen auf den Arbeitsmärkten durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Die Arbeitskräftenachfrage ist jedoch eine abgeleitete Nachfrage der Gütermärkte, da Arbeitskräfte überwiegend zur Produktion weiterer Güter herangezogen werden bzw. im Rahmen von Dienstleistungen für Handel und Produktion (Faktormarkt) benötigt werden. Von besonderer...



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