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Lysippus und seine Freunde. Studien aus dem Warburg-Haus, Band 10 - Liebesgaben und Gedächtnis im Rom der Renaissance oder: Das erste Jahrhundert der Medaille
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Lysippus und seine Freunde. Studien aus dem Warburg-Haus, Band 10 - Liebesgaben und Gedächtnis im Rom der Renaissance oder: Das erste Jahrhundert der Medaille
von: Ulrich Pfisterer
De Gruyter Akademie Forschung, 2009
ISBN: 9783050061337
507 Seiten, Download: 19604 KB
 
Format:  PDF
geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop

Typ: B (paralleler Zugriff)

 

 
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Leseprobe

"Michelangelos Gaben – Epilog (S. 377-380)

Alles bislang mit Blick auf Hermes Flavius, Alessandro Cinuzzi und die Situation im Rom des späteren 15. Jahrhunderts Gesagte läßt sich mit nur leichter Perspektiv-Verschiebung auch als Vorgeschichte zu den homoerotischen Liebesgaben des Michelangelo Buonarroti im Rom des 16. Jahrhunderts verstehen – oder anders formuliert: Mußten Michelangelos Kunst-Geschenke an Jünglinge bislang als weitgehendes Novum erscheinen, so gewinnen sie jetzt erst ihren eigentlichen Kontext wieder. Mehr noch: Nicht nur Michelangelos Zeichnungsgeschenke, sondern überhaupt sein Kunstverständnis, seine Dichtung und seine Selbststilisierung können geradezu als resümierende Zusammenfassung aller hier bislang verfolgten, im Italien der Renaissance kursierenden Gedanken zu Liebe, Freundschaft, Gedächtnis, Geschenken, Kunst und selbst Medaillen gelten. Nur zu alten Münzen – dies in Parenthese – dürfte Michelangelo in seinen letzten Lebensjahren ein zwiespältiges Verhältnis entwickelt haben, nachdem er 1563 unter dem Verdacht festgenommen und verhört worden war, am Unterschlag eines Schatzfundes im Weinberg des Orazio Muti beteiligt gewesen zu sein – eine Verwechslung, die Michelangelo im übrigen mit schlagfertigen Antworten gegenüber dem Richter quittierte und die durch seine einflußreichen Freunde und Gönner schnell aufgeklärt wurde.

In welcher Hinsicht nun bietet Michelangelos Denken und Kunst eine ‚Zusammenfassung‘? Michelangelo – als ‚neuer Phidias‘ seiner Zeit gefeiert, auch darin ähnlich unserem Hermes, dem ‚jüngeren Lysippus‘ – unterhielt zu seinen wichtigsten geliebten Jünglingen der 1520er bis 1540er Jahre, zu Gherardo Perini, Andrea Quaratesi, Febo di Poggio, Cecchino Bracci und Tommaso de’ Cavalieri, Verhältnisse, die in vielerlei Aspekten die Beziehung von Hermes Flavius zu Alessandro Cinuzzi variierend aufgreifen: Zunächst sind von Michelangelo, dem notorischen Feind jeder Form des Porträts und dessen durch die Naturnachahmung zwingend bedingten Deformation des Idealen, als Ausnahmen nur eine hochgradig ausgearbeitete Selbstbildnis-Zeichnung (?) und zwei weitere Porträts des Andrea Quaratesi und Tommaso de’ Cavalieri bezeugt, wobei von den beiden letzteren nur dasjenige des Quaratesi überliefert scheint (Abb. 163). Kein anderer noch so hochgestellter Auftraggeber erlangte je die Gunst eines solchen gezeichneten Konterfeis von der Hand des divino. Diese entstanden (mit den Worten Michelangelos) ausschließlich „per amore e non per obrigio"". Und als am 6. Januar 1544 überraschend der fünfzehnjährige Cecchino Bracci verstarb, dem angeblich die doppelte Liebe Michelangelos und des einflußreichen Onkels und Michelangelo-Freundes Luigi del Riccio gegolten hatte, klagte Michelangelo gar in dichterischer Form, nicht rechtzeitig die Schönheit des Jünglings im Porträt festgehalten zu haben. Allerdings könne er im Nachhinein zur Not auch Luigi als Modell für ein solches nehmen, denn gut platonisch gedacht transformiere sich ja das Antlitz des einen Liebenden in das des anderen. Der Meister lieferte schließlich den Entwurf für ein Grabmal des Cecchino in S. Maria Aracoeli in Rom sowie eine Sammlung von 50 vierzeiligen ‚Epitaphien‘, die offenbar ursprünglich in die Gedichtsammlung verschiedener Autoren zum Tode Cecchinos eingehen sollte – eine Sammlung, die Luigi unter seinen Freunden ver- anlaßte und redigierte –, wobei Michelangelos Gedichte dann aber offenbar als getrennter und eigenständiger Beitrag belassen wurden.

Zu ihren Lebzeiten freilich bedachte Michelangelo die geliebten Jünglinge – und insbesondere Tommaso de’ Cavalieri – mit Gedichten, teils mit Vorlage-Blätter für ihren Zeichenunterricht, vor allem aber auch mit einer neuen Form von vollkommen ausgearbeiteten, als eigenständige Kunstwerke gedachten ‚Geschenk-Zeichnungen‘."



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