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Forschendes Lernen - Wie die Lehre in Universität und Fachhochschule erneuert werden kann
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Forschendes Lernen - Wie die Lehre in Universität und Fachhochschule erneuert werden kann
von: Harald A. Mieg, Judith Lehmann
Campus Verlag, 2017
ISBN: 9783593433974
448 Seiten, Download: 4232 KB
 
Format: EPUB, PDF
geeignet für: geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones Online-Lesen PC, MAC, Laptop

Typ: A (einfacher Zugriff)

 

 
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Leseprobe

Vorwort Judith Lehmann Eine Menschenmenge: Noch sind hier nicht die avisierten 3.000 Studierenden versammelt, aber es sind mindestens Hunderte. Sie stehen alle in der Schlange vor dem 'Campus Sports & Recreation Center' der Eastern Washington University (Spokane/Cheney), um sich für die 29. 'National Conference on Undergraduate Research' zu registrieren. Wer zu einer solchen Konferenz reist, kann erleben, wie Studierende aus den ganzen USA in Vorträgen, Postersessions und Kunstperformances ihre eigene Forschung präsentieren; wie Betreuende und Studierende als Teams agieren, Studierende sich auch als Vertreter/innen ihres eigenen Fachs verstehen und sich mit Peers über ihre Forschungsergebnisse, weitere Studienmöglichkeiten und Jobchancen austauschen. In den USA gehört Forschendes Lernen bzw. 'Undergraduate Research' schon seit langem zur hochschulischen Ausbildung. Seit den 1990er Jahren werden an fast allen US-Universitäten sogenannte 'Undergraduate Research Opportunities Programs' (UROPs) eingerichtet. Bei jährlichen nationalen Konferenzen haben Studierende aller Fachrichtungen die Möglichkeit, ihre Forschungsergebnisse zu präsentieren. Sie werden in den USA vom nationalen 'Council on Undergraduate Research' (CUR) und den jährlich wechselnden Partnerhochschulen organisiert. Auch im deutschsprachigen Raum hat Forschendes Lernen eine lange Tradition. Spätestens seit dem Bericht der Bundesassistentenkonferenz 1970 wird Forschendes Lernen in der deutschen Hochschuldidaktik diskutiert. Durch den Qualitätspakt Lehre bekommt Forschendes Lernen seit 2011 besonderen Aufschwung: Von Hohenheim bis Oldenburg stellen Projekte die eigene Forschung der Studierenden ins Zentrum hochschulischen Lernens. Dabei bleibt mitnichten jede/r für sich: Schon im September 2013 kamen mehr als 150 Expertinnen und Experten aus Lehre und Forschung an der Fachhochschule Potsdam zusammen. Die Konferenz 'Forschendes Lernen. Forum für gute Lehre' zählt zu einer der ersten großen deutschsprachigen wissenschaftlichen Veranstaltungen zum Thema. Hochschullehrer/innen und -didaktiker/innen, wissenschaftliche und Projektmitarbeiter/innen einte der Ansatz, dass eigene Forschung für Studierende eine einzigartige Möglichkeit ist, ein spezielles Kompetenzprofil zu erwerben, darüber hinaus Studienabbrüche zu verhindern, Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und vieles mehr. In Forschungspanels, Posterpräsentationen und Workshops wurden Theorie und Praxis Forschenden Lernens ausgelotet. Praktische Hürden - wie dem Forschenden Lernen zuwiderlaufende Lehrkonventionen, rigide Prüfungs- und Studienordnungen und knappe Ressourcen - wurden ebenso in Angriff genommen wie theoretische Baustellen, etwa noch ausstehende begriffliche Klärungen. Die Potsdamer Konferenz war Ausgangspunkt einer intensiven und nachhaltigen Vernetzung: Viele Tagungen folgen - nun auch erste deutschsprachige Studierendenkonferenzen nach angloamerikanischem Vorbild. Unser Buch greift all diese Diskussionen auf, vertieft sie und führt das bestehende Wissen zusammen. Es zeigt nicht nur schon Erreichtes, sondern auch die anstehenden Aufgaben derer, die sich der Umsetzung Forschenden Lernens verschrieben haben. Vom Vorbild aus den USA über die Spezifika der Fächer bis zu den übergreifenden Prinzipien und Perspektiven sind die in diesem Buch versammelten Beiträge Ausdruck der gelingenden Vernetzung und der profunden Expertise der stetig wachsenden Community rund um das Projekt des Forschenden Lernens. Judith Lehmann Projektleiterin FL2 Forschendes Lernen an der Fachhochschule Potsdam Januar 2016 Vorwort Elizabeth L. Ambos Der Paradigmenwechsel vom Auswendiglernen zum fragengestützten, forschungsbasierten Unterricht geht vonstatten, ist aber noch nicht vollendet. Neue Perspektiven und Erfolgsgeschichten sind wichtig, um den Änderungsprozess zu beschleunigen und das gemeinsame Vertrauen in das Ziel, Forschung und Unterricht zu kombinieren, zu stärken. Dies ist ein Grund, warum 'Forschendes Lernen: Wie die Lehre in Universität und Fachhochschule erneuert werden kann' eine solch willkommene Ergänzung zur zunehmenden Literatur zum weltweiten Paradigmenwechsel an Hochschulen ist. Herausgegeben von Harald Mieg und Judith Lehmann bietet dieser ehrgeizige Band eine umfassende Übersicht über den Status des Forschenden Lernens an deutschen Hochschulen. Er vermittelt eine Vision, wie Hochschulbildung sich gestalten könnte, wenn Dozierende und Einrichtungen einen stärkeren Fokus auf die Forschung im Studium legten. In mancherlei Hinsicht beschreitet der Band gut bereitete Pfade. Die Kapitel, aus denen sich der Abschnitt 'Prinzipien' zusammensetzt, legen die zugrundeliegenden Philosophien für die Neuausrichtung der Bildung auf die Erfahrung der Studierenden dar. Ihre Grundsätze werden Leser/innen von Publikationen des 'Council on Undergraduate Research' sowie von führenden Wissenschaftler/innen und Praktiker/innen in Großbritannien (zum Beispiel Healy/Jenkins, 2009) und Australasien (zum Beispiel Brew, 2010) vertraut vorkommen. Viele weitere Aspekte der Publikation sind sui generis und porträtieren zwei unterschiedliche, sich ergänzende/konkurrierende Systeme, die in der höheren Bildung in Deutschland bestehen: die Universitäten und die Fachhochschulen. Die Kapitel zum Forschenden Lernen in unterschiedlichen Fachbereichen, von den Naturwissenschaften bis zu den Angewandten Künsten (Architektur) und Sozialwissenschaften (Sozialarbeit), illustrieren sowohl die Breite des Forschenden Lernens an deutschen Hochschulen als auch das wachsende Bewusstsein der Fachöffentlichkeit in Bildungsfragen. Der letzte Abschnitt des Buchs, 'Perspektiven', gibt faszinierende Einblicke in die Zukunft des grundständigen Studiums in Deutschland (und in der Europäischen Union) und stellt eine Verknüpfung zwischen dem Forschenden Lernen und der wirtschaftlichen Entwicklung her. Wie in den USA führt die zunehmende Erkenntnis, dass Studierende die Fähigkeit, Energie und Intelligenz besitzen, anspruchsvolle Forschungsprojekte zu verfolgen, auch in Deutschland zu der Bereitschaft, in ihre unternehmerischen Aktivitäten zu investieren. Würde die Verbesserung und Erweiterung des Forschenden Lernens dazu führen, dass mehr Forschungserkenntnisse auf den Markt gelangen? Und dass neue Industrien und Unternehmen von studentischen Forscher/innen angeführt werden? In einer höchst industrialisierten und hochmodernen Wirtschaft wie der deutschen wird eine höhere Investition in von Dozierenden betreuten Forschungsprojekten an Hochschulen mit Sicherheit beträchtliche wirtschaftliche und soziale Dividenden nach sich ziehen. Es kann sicherlich keinen besseren Grund geben, den Schwerpunkt auf das Forschende Lernen zu verschieben, als die Möglichkeit, den Unterricht zu bereichern und neu zu gestalten, den Erfolg und die Akkulturation der Studierenden zu fördern und die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben. Brew, A. (2010). Imperatives and challenges in integrating teaching and research. Higher Education Research and Development, 29 (2) 139-150. Healey, M./Jenkins, A. (2009). Developing Undergraduate Research and Inquiry. York: HE Academy. Abgerufen am 05.12.2015 von https://www.heacademy.ac.uk/sites/default/files/developingundergraduate_final.pdf Elizabeth L. Ambos Vorsitzende Council on Undergraduate Research Dezember 2015 Der Council on Undergraduate Research (CUR, zuständig für Forschendes Lernen) und seine angeschlossenen Hochschulen, Universitäten und Privatpersonen verfolgen das gemeinsame Ziel, erstklassige Forschungsmöglichkeiten im Studium für Dozierende, Verwaltungsmitarbeiter/innen und Studierende an allen Studieneinrichtungen zu schaffen. Undergraduate Research gehört zu den am schnellsten wachsenden Angeboten der höheren Bildung in den USA. Insgesamt werden ungefähr 70 Hochschulen und Universitäten vertreten. Mehr über den CUR gibt es unter: http://www.cur.org. Das Vorwort wurde aus dem Amerikanischen übersetzt. Einleitung: Forschendes Lernen - erste Bilanz Harald A. Mieg Forschendes Lernen ist ein hochschuldidaktisches Prinzip, das auf die Selbstständigkeit von Studierenden setzt: Lernen durch eigenes Forschen. Das Prinzip des Forschenden Lernens steht in der langen Tradition der Bildung durch Wissenschaft, welche das Studium 'als Teilhabe an Wissenschaft als einem niemals abgeschlossenen Prozess' versteht (Huber, 2009, S.?1). Als Arbeitsdefinition dient den meisten Hochschulen die Definition Forschenden Lernens von Ludwig Huber (2009): 'Forschendes Lernen zeichnet sich vor anderen Lernformen dadurch aus, dass die Lernenden den Prozess eines Forschungsvorhabens, das auf die Gewinnung von auch für Dritte interessanten Erkenntnissen gerichtet ist, in seinen wesentlichen Phasen - von der Entwicklung der Fragen und Hypothesen über die Wahl und Ausführung der Methoden bis zur Prüfung und Darstellung der Ergebnisse in selbstständiger Arbeit oder in aktiver Mitarbeit in einem übergreifenden Projekt - (mit)gestalten, erfahren und reflektieren.' (Huber, 2009, S.?11) Diese Definition hebt drei Merkmale hervor: erstens, die Studierenden sollen den ganzen Forschungsprozess durchlaufen; zweitens, die Ergebnisse sollten einen gewissen Neuigkeitswert besitzen, und zwar nicht nur für die Studierenden; drittens Forschendes Lernen erfolgt selbstständig. All dies wirft weiterreichende Fragen auf, unter anderem: Welche Rolle haben die Professor/innen oder Dozent/innen? Wie passt Forschendes Lernen in ein Universitätsstudium? Zahlreiche Studiengänge an Universitäten und Fachhochschulen in Deutschland haben sich Forschendes Lernen zum Programm gemacht. Mit diesem Buch möchten wir eine erste Bilanz ziehen. Dazu müssen wir uns den hochschulpolitischen Rahmen vergegenwärtigen, im dem Forschendes Lernen derzeit diskutiert wird. Meine Einleitung startet mit dem Bologna-Prozess, einem Hochschulreformprozess auf europäischer Ebene, der heute auch die Diskussion um Forschendes Lernen bestimmt. Das Forschende Lernen hat, wie wir sehen werden, eine eigene Geschichte, die in die Zeit der Hochschulreformen der 1960er Jahre zurückreicht. Seither haben sich einige Varianten entwickelt: auf der einen Seite mehr Orientierung an Wissenschaft - wie bei Huber -, auf der anderen Seite das Augenmerk auf dem individuellen Lernen. Den Abschluss meiner Einleitung bildet eine Übersicht über die mehr als dreißig Kapitel des Buches. Als eine Bilanz lässt sich ziehen: Forschendes Lernen treibt die Idee der Bildung durch Wissenschaft voran, indem das Lernpotenzial von Forschen bzw. selber Forschen ausgelotet wird. Der Bologna-Prozess Der Bologna-Prozess setzt die Idee der europäischen Harmonisierung auf der Ebene der Hochschulen um. Ziel war es, in Europa einheitliche Standards zu schaffen und damit die Mobilität der Studierenden in Europa zu erhöhen (vgl. Hanft/Müsken, 2005). In diesem Sinne unterzeichneten 1999 die Bildungsminister/innen aus 29 europäischen Staaten eine gemeinsame Erklärung. Ort der Unterzeichnung und Namen der Initiative haben hohen symbolischen Wert: In Bologna wurde 1088 die erste Universität gegründet. Anlass, Inhalt, Kritik Dass eine Reform nötig war, konnten alle nachempfinden, die in den 1980er Jahren studiert haben. Universitäten wirkten zu jener Zeit wie 'Bildungsbehörden', wo der Anspruch auf Hochschulbildung eingelöst werden konnte. An jedem Universitätsstandort sollte das Fächerangebot in der gleichen Qualität gelehrt werden. Es war die Zeit der Massenuniversität. Mobilität wurde nicht gefördert. Viele Studierende starteten an einer Universität und mit einem Studium, für das sie eine Zusage erhalten hatten, und wechselten dann in die Stadt und das Studium, das sie sich erträumt hatten. Die Studienzeiten waren enorm lang. Wer nach drei, vier oder fünf Jahren das Studium abbrach, stand ohne Abschluss da. Vordiplome oder Zwischenzeugnisse waren nichts wert, schon allein weil sie nicht als Abschlüsse gedacht waren. Der Bologna-Prozess wird vor allem mit der Einführung des Bachelor-Master-Systems verbunden. Das Bachelor-Studium soll eine Berufsbefähigung in einem Bereich ermöglichen. Der Master ist ein weiterführendes Studium und als Einführung in die Wissenschaft gedacht. In der Schweiz wurde das Bachelor-Master-System recht zügig umgesetzt. In Deutschland entfachten sich heftige Diskussionen in Diplomstudiengängen, die sich vor allem in den technischen Fächern bewährt hatten: Ein/e Diplom-Ingenieur/in hatte eine umfassende Ausbildung in einem Bereich erhalten, unter Einschluss aller Nebenfächer, die für eine potenzielle Berufsausübung relevant scheinen. Das deutsche Diplom konnte und kann weiterhin als Qualitäts-Gütezeichen für akademische Ausbildung gelten. Der Hauptkritikpunkt an der Bologna-Reform, sowohl von Seiten der Studierenden als auch der Lehrenden, ist die Verschulung des Studiums. Während man früher über einen langen Zeitraum Scheine sammelte, das heißt Nachweise für besuchte Seminare oder andere Kurse, und dann Prüfungen absolvierte, wird im Bachelor-Master-System in viel engerem Rhythmus geprüft. Grundlage ist das ECTS (European Credit Transfer System), ein zeitbasiertes System, um Studienleistungen zu erfassen. Ein Bachelorstudium umfasst zum Beispiel pro Jahr etwa 60 ECTS, wobei 1 ECTS-Punkt etwa 30 Arbeitsstunden bedeutet. Bemessen wird der Zeitaufwand, der die Anwesenheit im Seminar wie auch die Arbeit zu Hause umfasst. Statt Reflexion und Raum für Begeisterung bringe das Bachelorstudium Hektik und Prüfungsstress. Und Forschendes Lernen? Was hat der Bologna-Prozess mit Forschendem Lernen zu tun? Eine Kritik lautet: Forschendes Lernen ist eine bloße 'Reparaturmaßnahme', die ohne Bologna nicht nötig wäre. Alte gewachsene Studiengänge, insbesondere das deutsche Diplom, führten die Studierenden an Forschung und Wissenschaft heran und boten zugleich viel Spielraum für Eigeninitiative. Mit dem verkürzten Bachelor-Studium ist das nicht mehr möglich. Zu erwidern wäre: Die Probleme mit dem Bachelor-Master-System in Deutschland entstehen dadurch, dass man einfach die alten Diplomstudiengänge in ein neues Format gefüllt hat: Das Vordiplomstudium wurde zum Bachelorstudium, das Hauptstudium zum Master. Dadurch werden die Regelstudiengänge mit Stoff überfrachtet und die Studierbarkeit eingeschränkt. Es braucht Zeit und Geduld, um das Bachelor-Master-System zum Laufen zu bringen. Oft wird eingewandt, dass im verschulten Bachelor mit seiner kleinteiligen Prüfungspraxis gar keine Zeit für Forschendes Lernen sei. Vom Ansatz her ist genau das Gegenteil der Fall: Das ECTS-Punkte-System bietet ein großes Potenzial, um die investierte Zeit neu zu bewerten und insbesondere den Wert der Eigenzeit im Studium zu schätzen und zu fördern (vgl. Sidler, 2005). Eigenzeit meint selbstorganisiertes Lernen. Ein ECTS-Punkt kann zum Beispiel 15 Stunden Anwesenheit in einer Vorlesung umfassen sowie 15 Stunden für Recherchieren und Vorbereiten eines Referates. Das ECTS-System kehrt sich vom alten System der Semesterwochenstunden ab, diese erfassten einzig und allein die Länge von Seminaren oder Übungen. Mit dem ECTS-System können neue Freiräume geschaffen werden. Hier macht Forschendes Lernen neu Sinn. Kleine Geschichte des Forschenden Lernens Die Idee des Forschenden Lernens erwuchs im Zusammenhang mit den Hochschulreformen in den 1960er Jahren. Damals entstand eine Reihe neuer Universitäten, zum Beispiel die Technische Universität in Dortmund und die Universität Bielefeld, und nicht zuletzt mit den Studierendenunruhen kam es zu einem Demokratisierungsschub: Die Studierenden sowie die Hochschulgruppen neben den Professor/innen bekamen neue Mitspracherechte. Die Lektüre des Urtextes des Forschenden Lernens 'Forschendes Lernen - Wissenschaftliches Prüfen' ('Ergebnisse der Arbeit des Ausschusses für Hochschuldidaktik'), 1970 herausgegeben von der Bundesassistentenkonferenz, ist erhellend und etwas erschreckend zugleich: erhellend, weil mit großer Klarheit die Lehrproblematik und die Aufgabe dargestellt werden; erschreckend, weil die Probleme im Studium sich so wenig geändert zu haben scheinen. Reformansätze: Das Projektstudium Eine mit dem Forschenden Lernen verschwisterte Reformidee ist das Projektstudium. Im Projektstudium müssen die Studierenden Forschungsprojekte bearbeiten. Historisch betrachtet, so berichtet Huber, wurde Projektstudium 'ausdrücklich als kritisches Konzept gegen Forschendes Lernen aufgebracht und vertreten' (2013, S.?25). Im Zentrum des Projektstudiums stand weniger bzw. nicht allein die wissenschaftliche Erkenntnis, sondern das Wirken auf eine gesellschaftliche Veränderung. In vielen Studiengängen, zum Beispiel hier und da in der Soziologie, wurde das Projektstudium in den 1970er und 1980er Jahren eingeführt und bald wieder abgeschafft. Ein Vorwurf aus Sicht der Studienplaner/innen war, dass die Studierenden zu wenig Theorie mitbekamen. Gerade in der Soziologie ist Theoriearbeit unverzichtbar. Klar wurde auch, dass viele Professor/innen das Format des Projektstudiums nutzten, um sich zurückzuziehen und ihr Lehrpensum faktisch zu verringern. Es waren ja die Studierenden, die im Projektstudium die Arbeit leisten mussten. An der Universität Bremen hat sich das Projektstudium erhalten und transformiert; Forschendes Lernen galt von Anfang als wesentliches Element von Projektstudium (Robben, 2013). Die Erfahrungen mit dem Projektstudium lehren zweierlei: Erstens, man darf die Studierenden nicht alleine lassen, man muss sie aktiv unterstützen und regelmäßig Feedback geben; zweitens, es braucht eine klare Ablaufstruktur für die gesamte Veranstaltung, woran die Studierenden sich orientieren können. Es gibt Studiengänge und Hochschulen, welche die Idee des Projektstudiums erfolgreich weiterentwickelt haben, so zum Beispiel die Werkstätten der Sozialen Arbeit, welche die Studierenden in aktuelle Forschung einführen. Wichtig daran ist, dass solche Werkstätten sich in Veranstaltungen einreihen, welche die Studierenden über die Semester hinweg zu eigener Forschung führen (vgl. Schmidt-Wenzel/Rubel, in diesem Band). USA: Undergraduate Research In den USA gab es eine Universitätsreformbewegung, die - von völlig anderen Bedingungen ausgehend - zur Forderung nach Forschendem Lernen führte. Ausgangslage war, dass in den großen Forschungsuniversitäten zu wenig forschungsorientierter Nachwuchs aus den eigenen Bachelor-Studiengängen kam. Anders als in Deutschland ist die Bachelor-Ausbildung in den USA von den meist disziplinären Master-Studiengängen entkoppelt, die Professor/innen lehren im Master, der Bachelor wird von Lehrkräften organisiert. Einen Bachelor kann man in den USA zu fast allem erwerben; das Angebot wird nicht zuletzt von den Wünschen und Erwartungen der Eltern getrieben, die bereit sind dafür zu zahlen. 1995 veröffentlichte die sogenannte Boyer-Kommission ein Strategiepapier zu Erneuerung der Bachelor-Ausbildung (1998). Erste und wesentliche Forderung war: Forschungsbasierung sollte (wieder) der Standard werden. Es sei weder Aufgabe der Forschungsuniversitäten, die Defizite der Schulbildung auszubügeln noch allen Ausbildungsideen der Eltern entsprechen zu wollen. Die Boyer-Kommission hat einen neuen Standard eingeführt, für den die Eltern mittlerweile zu zahlen bereit sind: Undergraduate Research - Bachelor-Studierende bearbeiten eigene Forschungsprojekte. An vielen Hochschulen sind hierfür Programme eingerichtet worden, bekannt als UROP (Undergraduate Research Opportunities Program). Hier können Lehrende, Forschungseinrichtungen oder auch forschungsorientierte Firmen Projektangebote einstellen, auf die sich die Studierenden bewerben können. Forschen soll auf diese Weise zu einer Selbstverständlichkeit im Studium werden. Bildung durch Wissenschaft und der Bologna-Prozess In Deutschland stand Universitätsbildung in den letzten 200 Jahren programmatisch im Zeichen der Bildung durch Wissenschaft. Kritiker/innen des Bologna-Prozesses fürchten eine Abkehr von dieser Grundidee. Das Bachelor-Master-System sei eine leichtfertige Replikation des amerikanischen Hochschulsystems, das auf anderen Voraussetzungen fußt als das deutsche. Insbesondere gibt es in den deutschsprachigen Ländern - anders als in England und den USA - eine Tradition der berufsbegleitenden Ausbildung in den Berufsschulen. Hauptkritikpunkt ist die explizite Orientierung des Bachelor-Studiums an Employability, der Beschäftigungsbefähigung: Bildung werde marktgängig. Die Kritiker/innen - und vermutlich auch manche Hochschulmanager/innen - übersetzen Employability als spezifische Berufsausbildung. Dass dies ein Bachelor-Studium weder leisten kann (noch sollte), liegt auf der Hand. Employability lässt sich besser als generelle Beschäftigungsfähigkeit verstehen: Studierende sollen Probleme definieren und Projekte durchziehen können, sie sollen analytisch denken und ihre Vorhaben schriftlich und mündlich präsentieren können. Auf diese Weise wird Hochschulwissen in der Praxis anschlussfähig. Ansätze zum Forschenden Lernen Die Diskussion um Forschendes Lernen ist in eine breitere didaktische, international geführte Diskussion um die Verknüpfung von Forschung und Lehre eingebettet. Wie wir sehen werden, liegt hierbei der Schwerpunkt auf dem Lernen. In der deutschsprachigen Diskussion steht das Forschen im Vordergrund. Das Forschen im Forschenden Lernen kann sich auf Wissenschaft beziehen, so bei Huber oder dem Zürcher Framework. Mit Forschen kann hingegen auch eine persönliche Problembearbeitung gemeint sein, Forschen wird hier synonym zu Lernen aus Erfahrung gesehen.



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