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Homosexualität und Staatsräson - Männlichkeit, Homophobie und Politik in Deutschland 1900-1945
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Homosexualität und Staatsräson - Männlichkeit, Homophobie und Politik in Deutschland 1900-1945
von: Susanne zur Nieden (Hrsg.)
Campus Verlag, 2005
ISBN: 9783593377490
305 Seiten, Download: 1995 KB
 
Format:  PDF
geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop

Typ: B (paralleler Zugriff)

 

 
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Leseprobe

Aufstieg und Fall des virilen Männerhelden Der Skandal um Ernst Röhm und seine Ermordung (S. 147-148)
Susanne zur Nieden

Zum Jahreswechsel 1933/34 veröffentlichte der Völkische Beobachter einen Brief Adolf Hitlers, in dem dieser sich in den wärmsten Worten an Ernst Röhm wandte:

»Am Abschluß des Jahres der nationalsozialistischen Revolution drängt es mich daher, Dir, mein lieber Röhm, für die unvergänglichen Verdienste zu danken [...] und Dir zu versichern, wie sehr ich dem Schicksal dankbar bin, solche Männer wie Dich als meinen Freund und Kampfgenossen bezeichnen zu dürfen. In herzlicher und dankbarer Würdigung gez. Dein Adolf Hitler« (Röhm 1934: 191f.).

Eine solche Auszeichnung kam nicht von ungefähr. Im ersten Jahr der nationalsozialistischen Herrschaft gehörte Röhm zum kleinen Kreis der mächtigsten Männer im Deutschen Reich. Er hatte zwar Feinde in der NSDAP, war aber bei vielen NS-Anhängern ausgesprochen populär und als Stabsführer der Sturmabteilung, des bedingungslos gewaltbereiten paramilitärischen Flügels der NS-Bewegung, bei seinen Gegnern gefürchtet. Die Wochenbeilage des Völkischen Beobachters, »Der SA-Mann«, überhäufte Röhm in fast jeder Ausgabe mit Ehrenbekundungen. Kaum jemand mochte sich zu diesem Zeitpunkt noch daran erinnern, dass der mächtige Stabsführer, dessen SA seit Beginn des Jahres 1933 täglich Menschen terrorisierte und verhaftete, misshandelte und nicht selten zu Tode folterte, sich keine zwei Jahre zuvor, 1931 und 1932, mehrerer für ihn höchst peinlicher Verhöre bei der Münchener Kriminalpolizei hatte unterziehen müssen. Tatsächlich war Röhm damals nur knapp einer Anklage wegen gleichgeschlechtlicher sexueller Kontakte zwischen Männern nach § 175 des Strafgesetzbuches entgangen.

1928 hatte Ernst Röhm mit der Geschichte eines Hochverräters eine Art Zwischenbilanz seines Lebens vorgelegt. Die Autobiografie des damals 40-Jährigen war nicht vom Standpunkt eines Mannes geschrieben, der glaubte, die Macht mit Händen greifen zu können. Sie erzählte vielmehr die Geschichte seines politischen Kampfes aus der Perspektive eines gesellschaftlichen Außenseiters. Wegen seiner Teilnahme am gescheiterten Hitler-Putsch im Jahr 1923 aus der Wehrmacht entlassen und als Hochverräter vorbestraft, hatte Röhm sich 1925 mit dem aus der Haft entlassenen Adolf Hitler politisch überworfen und seine Parteiämter aus Protest niedergelegt. Beruflich in prekärer Situation sowie politisch isoliert, verließ Röhm Deutschland Ende 1928 und nahm in Bolivien eine Arbeit als militärischer Ausbilder an. Noch gab es also keine Anzeichen für jenen rasanten politischen Aufstieg, der Röhms Leben schon bald verändern sollte. Nichts deutete darauf hin, dass er bereits 1933 als Stabsführer der SA, Reichsminister, bayerischer Staatsminister und enger Vertrauter Adolf Hitlers für kurze Zeit zu den mächtigsten Männern im NS-Staat gehören würde.

Auf dem Höhepunkt der Macht beschäftigte sich Röhm mit seinem Nachruhm. Er überarbeitete seine Autobiografie für eine Volksausgabe, die im Herbst 1933 erschien. Er ergänzte den Lebensbericht um die Jahre 1928 bis 1931, brach ihn aber unvermittelt mit den Worten ab: »Ob die Schilderung dieses Kampfabschnittes dereinst ein Kapitel zur ›Geschichte eines Hochverräters‹ wird, bleibt wohl auch besser für heute unentschieden.« (Bennecke 1963: 183) Im Herbst 1934 wurden Ausschnitte der Autobiografie unter dem Titel Memoiren des Stabschefs Röhm in einer von NS-Gegnern anonym und in denunziatorischer Absicht herausgegebenen Broschüre ein weiteres Mal veröffentlicht. Um die Bevölkerung über Röhms Verstöße gegen geltende Moralvorstellungen und die verbrecherische Skrupellosigkeit des NS-Regimes aufzuklären, fingierten unbekannte Verfasser ein weiteres Kapitel, über jene Jahre, die Ernst Röhm in der Geschichte eines Hochverräters ausgespart hatte, und veröffentlichten zusätzliche Dokumente über die kurze Phase des Aufstiegs und Falls des Stabschef bis zu seiner von Hitler angeordneten Ermordung am 1. August 1934. Im Mittelpunkt der Dokumentation standen drei Briefe an den Mediziner Karl Günter Heimsoth, die Röhm Ende 1928 in München und zu Beginn des Jahres 1929 in Bolivien geschrieben hatte, und die 1931 den Röhm- Skandal ausgelöst hatten. In einer Kampagne zog die Presse, allen voran sozialdemokratische Zeitungen, alle Register der Sexualdenunziation und brandmarkte Röhms Vorliebe für gleichgeschlechtliche Affären.



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